Deutschlandflug

Von dem Vater der aus(z)(fl)og, seine Tochter heimzuholen

Dienstag, 28. Juni 2005, 5:00 Uhr

Nordische Burse, Studentenwohnheim

Eine Horde betrunkener Finnen zieht unüberhörbar durch die Gänge unseres Wohnheims. Die Vögel im Wald vor meinem Zimmerfenster zwitschern schon seit Tagesanbruch. Ich kann nicht schlafen. Nicht wegen der Geräuschkulisse, nein: das ist Gewöhnungssache. Ich schau noch einmal auf die Uhr. Drei Stunden noch. Horche nach draußen. Regen? Bloß nicht! Blinzeln. Sonnenlicht tanzt auf den Wipfeln der Bäume. Erleichtert drehe ich mich auf die andere Seite.

Nürnberg, Zabo 5:00 Uhr

Mein Wecker fiebt, Aufstehen - wie jeden Morgen -. Nicht ganz, hab`mir zwei Tage frei genommen. Ich will, - ja soll ich es wirklich wagen-. Der Wettermann gestern meinte, Dienstag noch gut, ab Mittwoch spät nachmittag starke Gewitter mit Sturm und Hagel aus Süd-West aufziehend. Ich ruf noch mal den Wettermann an, will`s ganz genau wissen, zu genau offenbar, der Wettermann ist leicht genervt.

Ottenberg, 06:30 Uhr

Ich fahr raus zum Platz. Gehe den ganzen Flug nochmal durch. Die Flugvorbereitung steht. An alles gedacht? Checkliste - alles da, sogar Verzurrzeug. Trotzdem Zweifel, soll ich oder soll ich nicht. Es darf nichts dazwischen kommen. Funkausfall, ein plattes Rad am Mittwoch morgen, dann bist du weit weg von zu Hause und kein "Stern" erreichbar der da schnell mal am Firmament deiner Hoffnung aufgehen könnte. Aber so gesehen dürftest du nie in die Kiste einsteigen und selbst wenn, eine Lösung findet sich immer.
Heinz, der gute Geist vom Ottenberg nimmt mir den letzten Zweifel. Er ist extra wegen mir so früh aus seinem Wohnwagen gekrabbelt. Jetzt will er auch daß es nicht umsonst war. "Flieg schon los, ist doch gut gemeldet bis morgen abend".

Nordische Burse, Wohnheimsküche, 7.00 Uhr

Frühstück. Angestrengt spähe ich aus dem Küchenfenster aufs Meer hinaus und zum Himmel. Das Meer ist blau. Ein gutes Zeichen. Das bedeutet, dass der Himmel auch blau sein muss. Das ist er auch. Größtenteils. Aber was sehe ich? Einige graue, unheilvolle Regenwolken schleichen sich verstohlen über den freundlich strahlenden Himmel! Ich reiße das Küchenfenster auf und schnuppere in die Luft. Es riecht ein bisschen nach Regen. Könnte aber auch das Meer sein. Ich entscheide mich für Letzteres und frühstücke fertig.

Nordische Burse, Wohnheimsküche, 7.55 Uhr

Der Fernseher läuft ohne Ton. Der Radio dafür um so lauter. Dazwischen stehe ich, das Handy telefonierbereit in der Hand. Katja kommt schlaftrunken in die Küche geschlurft. Schaut erst den Radio, dann den Fernseher, dann mich an. "Was hast du denn vor?" fragt sie mich.

"Ich darf den Wetterbericht nicht verpassen!! Weil heut nämlich mein...." Weiter komm ich nicht. Handy klingelt. Endlich. Papa ist dran: "Also, ich wär soweit. Es geht gleich los. Wie ist das Wetter bei dir?" ?Wolkendecke", murmel ich. "hat grad zugezogen" Die Antwort, zu meiner Erleichterung: "Ja, das war gemeldet. Das zieht aber weiter! Wie hoch ist denn die Bewölkung?"
Ich luge angestrengt aus dem Küchenfenster. "Kann ich nicht abschätzen. Aber nicht so tief. Die Sicht ist gut; es ist nicht dunstig." "Also dann- ich flieg los. Bis später!"
Einen Freudenschrei kann ich nicht unterdrücken. Katja schaut mich fragend an.
"......Weil mein Papa mich heute mit dem Flieger abholt!!!!!"

Ottenberg, 08:15 Uhr

Ich sitz im Flieger, hab`alles verstaut, Check - Anlassen - Instrumente, da geht`s schon los mit dem Theater. Das GPS findet den Flugplatz Bad Berka, meinen ersten Streckenpunkt, nicht. Ein schlechtes Omen? Quatsch. Nehm`ich halt das VOR Erfurt. Liegt nur 2 Grad weiter links. Der Kurs paßt auch.
Der Start ist problemlos, die Sicht ist gut, die Maschine funktioniert einwandfrei, die Luft ist ruhig. Kurs 354. Ich gleite mit 180 km/h gen Norden.
Die Zweifel sind weg, die Aufregung hat sich gelegt, das Fliegen hat mir, wie schon so oft, absolute innere Ruhe gebracht. Ich freu mich richtig. Jetzt bin ich auf Abenteuer aus. Heut abend werd ich endlich wieder mein Mädel in die Arme nehmen können.
Ich bin unterwegs mit der D-KOSN nach Kiel-Holtenau.

Nordische Burse, Flur, 9.00 Uhr

Die auf zehn Kilo beschränkte Reisetasche ist gepackt. Schnell noch einen Zettel an die Tür von Lennart, unserem Angler: "Lenny, hast du Heringe aus der Kieler Förde? Brauch heut abend welche....weil mein Papa heute mich mit dem Flieger abholt!!!!"

Magdeburg, 10:45 Uhr

Zwischenlandung zum Auftanken. Rein rechnerisch hätte der Sprit nonstop bis Kiel gereicht incl. einer halben Stunde Reserve. Aber ich will sicher gehen und außerdem tut eine Pause bei einer Tasse Kaffee ganz gut. Ich werde zur Tankstelle gelotst. Ein freundlicher Mensch bietet mir Mogas an, toll, dass es Mogas hier gibt stand gar nicht in der AIP, um so besser. Wir unterhalten uns, woher? wohin? Meine Tochter aus Kiel heimholen. Donnerwetter - meint der Tankwart, das tut auch nicht jeder Vater. -naja- man tut halt was man kann und ich kann nun mal fliegen, will fliegen, so ein bisserl Eigennutz ist schließlich auch dabei. Schnell noch eine SMS an Angelika, dann starte ich wieder.

Uni Kiel, 11.00 Uhr

Sms auf dem Handy: Bin in Magdeburg zum Auftanken!
Der erste Stein fällt mir von Herzen: Papa hat die Hälfte der Strecke wohlbehalten hinter sich.

Lübeck, 12:30 Uhr

Flughöhe 4000 ft. Links quer ab Lübeck. Rechts der Timmendorfer Strand,dahniter weitet sich die Lübecker Bucht hinaus in die Ostsee, die sich irgendwo im Dunst verliert. Gigantisch, das habe ich mir schon so lange gewünscht. Ans Meer zu fliegen. Jetzt bin ich tatsächlich hier, kann es kaum fassen. Voraus kommen die Plöner Seen in Sicht, da ist der Brombachsee eine Pfütze dagegen. Dann wird es nochmal spannend.

Kieler Bucht 12:45 Uhr

Einflug in die Kontrollzone Kiel-Holtenau. Der Einflug über Foxtrott führt direkt über die Kieler Bucht. Irgendwie belustigend das bunte Treiben auf dem Wasser unter mir, die Schiffe, die Segelboote, so klein wirken sie von hier oben. Mein GPS sagt noch 3 km bis zum Flughafen. Moment mal da stimmt doch etwas nicht. Ich bin viel zu hoch. Aber ich habe doch die max Einflughöhe für die Kotrollzone Kiel genau eingehalten, dann mit dem Sinkflug begonnen. Blick auf den Höhenmesser, 1000 ft, also noch ca. 300 m gnd oder msl, das ist hier ja eigentlich "Wurst".
aber; da fällt mir die graue Theorie wieder ein. Mit der Höhe über Wasser kann man sich verschätzen - aber dass es so extrem sein kann, ich bin beeindruckt.
Queranflug, "D-SN, Cleared to land, Wind 280/23 kn", kommt es da aus dem Headset. Naja meen Jung, da weht heut mal wiieeder eine steife Bries:e, aber der Wind steht fast auf der Bahn und die will scheinbar gar nicht näher kommen. Ich flieg mit Leistung bis an die Schwelle heran, dann Wilca-Landung, fast jedenfalls. Ich frage wo ich über Nacht parken kann und bekomme meine Rollanweisung. Dort wo die roten Fähnchen im Boden stecken sind Ösen einbetoniert, dort soll ich abstellen und meinen Flieger fest verzurren.
Die Fähnchen stehen im 10 m Abstand, Echo-Klasse-Abstand. Wie soll man da seine 17 m Spannweite vernünftig verzurren. Also pack ich mein Samedan-erprobtes-Verzurrzeug aus (mach Dich nicht schon wieder darüber lustig mein lieber "Stern") und such verzweifelt nach den Ösen am Flügelrandbogen. Doch die gibts an meinem oberbayerischen Flieger nicht. Wahrscheinlich legen die Oberbayern Steine auf die Flächen wie auf ihre Häuserdächer. Im Betriebshandbuch ist auch nichts zu finden. Oh Mann, Der am Tower muß meinen ich bin bescheuert wie ich da mit dem Betriebshandbuch unter den Flächen herum krieche. Ich bind die Kiste kurzerhand an den mittleren Querruderlagern an, das paßt jetzt auch einigermaßen mit den Ösen und Fähnchen. Dann hau ich mit dem eigens mitgebrachten Gummihammer noch ein paar Heringe in den Kieler Boden und bind die Flächen auch noch an den äußeren`Querruderlagern an damit sich evtl. Belastungen besser verteilen. Mann, wenn Der am Tower mein Treiben beobachtet muß er meinen ich bin bescheuert.
Dann find ich in meinem Krempel noch einen "Dieter-Lenzkes-Gewindenagel". Der hält dann auch bestimmt den Sporn 100%ig am Boden.
Jetzt noch am Tower abmelden. Der Mann am Tower ist beeindruckt, nicht von mir oder meiner Verzurrtechnik, sondern vom Samburo. Ich frag noch wann ich morgen frühestens losfliegen kann, erkläre dem Mann meine meteorologischen Nöte. Naja meint er um sieben Uhr machen wir auf, aber dann komm ich morgen schon um 06:40 dann können Sie schon mal zu ihrem Flieger. Echt Klasse der Mann, ich bin ihm wirklich sehr dankbar.

Flughafen Kiel-Holtenau 13:30 Uhr

Hunger, Suppe und Salat im Flughafenrestaurant. GROSSE Preise - kleine Portionen, der Euro macht`s möglich. Angelika anrufen: "Werde Kiel noch ein bißchen erkunden, bis heut abend dann im Wohnheim".

Mensa, 13.30 Uhr

Handy klingelt: "Ich bin jetzt da! Werde gleich die Flugvorbereitung für morgen machen!" Ich strahle wie ein Honigkuchenpferd. "Er ist da!" schrei ich begeistert zu Andrea über den Tisch.
Die freut sich mit.

Bushaltestelle Kiel-Flughafen 14:15 Uhr

Ein früheres Urlaubserlebnis mit einem Hamburger Busfahrer kommt mir in den Sinn, der konnte mit meiner Zeitangabe "dreiviertelachtuhr" nichts anfangen, und veranlaßt mich mein allerbestes Hochdeutsch auszupacken. " W e l c h e L i n i e b i t t e z u m H i n d e n b u r g u f e r ?". Es klappt, der Busfahrer versteht mich. In der Stadt umsteigen, am Marktplatz, dort habe ich eine dreiviertel Stunde, pardon, 45 Minuten, Aufenthalt bis der Anschlußbus kommt. Ich schlendere über den Marktplatz. Ein Stand mit einer jungen, bildhübschen Erdbeerverkäuferin. Ich komm nicht daran vorbei und kauf mir ein Schälchen frisch geplückter Erdbeeren. Zuckersüß - die Erdbeeren . Das Leben ist herrlich.

Kiel, Hindenburgufer, 16:00 Uhr

Ich schlendere am Ufer der Kieler Bucht entlang, vorbei an Yachthäfen, den Werften, der Burse. Kann mich gar nicht satt sehen. Ich habe noch etwas Zeit und allmählich Durst. Welch ein Glück, ein Kiosk. Ein nettes, junges Mädchen fragt mich was ich gern möchte. Na ja zuerst vielleicht ein Bier?! "In 0,5 Liter-Flaschen haben wir aber nur Warsteiner Bier" . Wieso bietet sie mir jetzt ausgerechnet 0,5 Liter Warsteiner an, wo doch 'zig andere, nordische Biersorten im Kühlregal stehen? Da kapier ich es. Vor lauter Durst habe ich meine Abstammung und mein Erlebnis mit dem Hamburger Busfahrer vergessen. Sie lächelt mich verschmitzt an, ich lächle zurück. Das Leben ist herrlich.

Nordische Burse, Wohnheimgarten, 18.30 Uhr

Endlich Uni aus. So schnell es das alte Mountainbike erlaubt nach Hause gerast. Da sitzt er tatsächlich, im Ottenberg T-shirt, im Gartenstuhl!
Zum Abendessen gibts die Heringe, Lenny hatte glücklicherweise noch welche. Andrea schmunzelt:
"Jaja, Väter tun so einiges, um ihre Töchter nach Hause zu holen!" Wir grinsen vergnügt.

Nordische Burse, Wohheimgarten, 18:50 Uhr

Ich sitze im Garten der Burse und warte - endlich, da biegt sie in die Einfahrt ein, auf einem klapprigen alten Studentenfahrrad dem es auch nichts ausmacht wenn es im Ausrollen nach einem flopsigen Absprung einfach zur Seite fällt. Stürmische aber herzliche Begrüßung. Welch eine Gnade so einen Augenblick erleben zu dürfen.

Nordische Burse, Wohnheimküche, 19:30 Uhr

Abendessen zubereiten. Ich werde sofort ins Küchenpersonal aufgenommen, soll Salat zubereiten. Gut, wo bitte sind die Salatschüsseln. Gibt`s nicht. Der Salat wird im Kochtopf gewaschen und serviert, in einem alten Emailtopf (Erklärung für jüngere Leser: das hat nichts mit elektronischer Salatzuteilung zu tun). Die Küchenarbeitsplatte spiegelt den Speiseplan der letzten vier Wochen wieder. Studentenküche eben, frei, losgelöst und ungezwungen.

Mittwoch, 29. Juni 2005, Nordische Burse, Wohnheim, 4.30 Uhr

Wecker klingelt. Ein kurzes Frühstück, Tasche über die Schulter und hinaus auf die Reise. Die Sonne steht noch tief über dem spiegelglatten Meer. Wir laufen am Ufer entlang, die Luft ist frisch.
Aber die Sonne scheint, das ist die Hauptsache. Für den Nachmittag sind Gewitter gemeldet. Also müssen wir Mittag am Ottenberg sein; bevor es kracht und hagelt.

Kiel, Stadtbus, 6.20 Uhr

Na wunderbar. Gerade sind wir am Flughafen Kiel-Holtenau vorbeigefahren. Ohne anzuhalten, weil ich es verpennt hab, auf den Stop Knopf zu drücken. Also eine Haltestelle später raus und zurückgefahren.

Flughafen Kiel-Holtenau, Vorfeld 6.55 Uhr

Der Check-in verlief problemlos; wir haben alle Sicherheitskontrollen gemeistert. Der Samburo ist von Tau ganz nass. Wir trocknen ihn, verstauen das Gepäck, tanken auf...
....und sind auch schon auf dem Rollfeld.
Irgendwie geht alles ziemlich schnell. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Nach links, wo die Ostsee in der Sonne glitzernd unter uns liegt, hinaus aufs Meer, wo sich die Kieler Bucht weitet und das Wasser sich im Blau des Himmels am Horizont verliert. Rechts unten das Westufer der Kieler Förde, ein kurzer Blick aufs Wohnheim, die Sporthäfen und Werften. Dann sind wir auch schon über der Hörn, dem Ende der Kieler Bucht, und vor uns erstrecken sich Wiesen und Felder.

Kontrollzone Kiel-Holtenau, 07:30 Uhr

Wir sind auf dem Heimweg. Wenn es optimal läuft, können wir die gleiche Route fliegen. Die Ostsee liegt noch im Dunst der Morgensonne, vereinzelte Quellwolken in 200 ft gnd. Wir steigen darüber. Landeinwärts werden die Wolken weniger, der Dunst bleibt aber die Sicht ist mit ca. 25 km gut. Der Wettermann heute morgen hat gemeint es bleibt bis zum Spätnachmittag gut, in Südbayern könnte es vereinzelte Schauer geben. Nun ja, man weiß ja nie ob sich die launische Oberpfalz meteorologisch Süd- oder Nordbayerisch hingezogen fühlt. Ein kräftiger Rückenwind schiebt uns mit 230 km/h Richtung Magdeburg. Dort will ich wieder tanken. Es ist herrlich, die Stimmung an Bord ist locker gelöst, nur der Bordservice läßt zu wünschen übrig. Außer Wasser und einen Apfel ist nichts im Angebot.

Luftraum Schleswig-Holstein, 7.15 Uhr

Wir fliegen über den Großen Plöner See. Vor ein paar Wochen bin ich daran mit dem Zug vorbeigefahren und hab´ mir überlegt, ob ich wirklich jemals dieses Gewässer von oben sehe. Und jetzt ist es tatsächlich so!
Mittlerweile hab ich mich auch mit der Kunst des Bedienens einer Digitalkamera angefreundet, nachdem ich heute morgen völlig unsinnigerweise zwei Bäume fotografiert habe, um zu sehen, ob das auch wirklich funktioniert. Auch erkenne ich mittlerweile die Dinge, die ich am Boden sehe, auf der Karte wieder.
Der Samburo schnurrt mit 230 Sachen übers Land. Papa ist begeistert, bei solchem Rückenwind werden wir in eineinhalb Stunden in Magdeburg sein.

Luftraum Lübeck, 7.30 Uhr

Kurz kommt die Ostseeküste nochmal in Sicht. Dann drehen wir Richtung Landesinnere ab.
Ich verfolge unseren Kurs auf der Karte. Papa dreht sich rüber: "Da muss jetzt gleich ein großer Fluss kommen. Der ist sehr markant!" "Meinst du die Elbe?" Manchmal weiß ich sogar noch was aus dem Erdkundeunterricht, yeah! Wir überqueren besagten markanten Fluss, der sich meandernd majestätisch durch die Landschaft windet.

Endanflug Magdeburg, 8.50 Uhr

Gelandet. Eine freundliche Stimme aus dem Tower lotst uns zur Tankstelle. Regina schreibt eine Sms: Es regnet in Nürnberg. Na wunderbar. Papa geht Wetterinformation einholen. Ich steh am Samburo rum. Ein Mann kommt und und fragt mich: "Mogas?" "Bitte was?" "Tankt ihr Mogas?"
Zum Glück kommt Papa grad zurück und beantwortet die Frage mit ja. Da fällt es dem Mann wieder ein: "Ach, Sie waren doch gestern schon da! Jetzt haben Sie tatsächlich ihre Tochter aus Kiel abgeholt?" Vergnügtes Grinsen auf allen Gesichtern.

Flugplatz Magdeburg, 09:00 Uhr

Eine wahre Flut von SMS prasselt in mein Handy. Ich hätte nie gedacht, dass so viele Kameraden und Freunde uns in Gedanken auf unserer Heimreise begleiten. Das tut richtig gut. Doch die Nachrichten sind alles andere als erfreulich. In Nürnberg regnet es, na Klasse. Also nochmal Wetterinfo holen, der freundliche Flugleiter unterstützt mich nach Kräften. PC Met Briefing. Bis Erfurt auf alle Fälle kein Problem. Südlich des Thüringer Waldes und des Fichtelgebirges regnen ziemlich breite aber nicht all zu tiefe Regengebiete, die wellenartig von süd-west aufziehen, ab. Am Schwarzwald stehen bereits erste Gewitter. Ich entschließe mich für meine Ausweichroute, also nicht über den Thüringer Wald und Kronach, sondern östlich am Frankenwald vorbei entlang der Autobahn A9. Da ist das Gelände nicht so hoch und außerdem gibt es jede Menge Flugplätze, falls uns das Wetter doch noch einen Strich durch den `Flugplan`macht.
Angelika spielt mit der Kamera herum, fotografiert allen möglichen Blödsinn, auch mich. Doch zum echten "In-die-Kamera-Lächeln" ist mir im Moment gar nicht zu Mute. Vor uns, hinter dem Frankenwald erstreckt sich eine rießige, dunkelgraue Wolkenwand.

Süd-östlich Erfurt, Bleilochtalsperre 10.00 Uhr

Ein Regengebiet steht über Nürnberg, bis Bayreuth aber ist frei. Papa hegt erste Zweifel, ob wir das schaffen. Eine halbe Stunde noch bis Hof.

Luftraum Hof, 10.30 Uhr

Das war ja klar. Bayrisch - Sibirien hat schlechtes Wetter. Über dem Fichtelgebirge ist dicke Suppe. Keine Chance. Papa funkt mit Information Langen, die meinen, wir könnten es probieren, wenn wir eine Lücke finden. Finden wir aber nicht. Wir drehen eine Schleife über Hof und Papa meldet sich am Flughafen.

Flugplatz Hof, 10.45 Uhr

Papa ist Wetter checken. Andrea ruft aus Kiel an. Andrea ist meine aus Münchberg stammende, sehr heimatsliebende, überzeugte Oberfränkin seiende Freundin. Ich mach meiner Entrüstung Luft: "Ihr Oberfranken mit eurem Scheiß Wetter! Auf euch is echt kein Verlass! Überall gutes Wetter, nur bei euch schiffts in Strömen! Andrea jubiliert durchs Telefon: "Und ob auf uns Verlass ist! In Oberfranken ist immer schlechtes Wetter! Das ist doch klar! Damit muss man rechnen! Grüß das Fichtelgebirge von mir!" trällert sie und legt auf.

Wir wollen den Regen bei einer Tasse Kaffee abwarten. Gerade als der kommt, hört der Regen auf. Wir stürzen den Kaffe hinunter und sogleich zum Flieger. Dieses Regenloch müssen wir nutzen, sonst hängen wir hier fest.

Über Bayreuth, 11.30 Uhr

Noch zwanzig Minuten bis zum Ottenberg. Auf ein Uhr, im Südwesten, riesige graue Regenwolken. Hinter uns noch klare Sicht, unter uns weiße Wolkenfetzen wie eine Herde verirrter Schafe.
Wenn wir Pech haben, steht der Regen direkt über dem Ottenberg. Wir tasten uns an der A9 entlang, an Pegnitz vorbei. Der Regen schiebt sich immer näher.

Landeanflug Ottenberg, 11.45 Uhr

Papa hats tatsächlich geschafft. Wir rauschen mit 197 Sachen an das Plateau heran, dann Fahrt raus, Landeklappen. Die ersten Regentropfen klatschen auf die Haube. Nur ein kurzer Blick auf Neumarkt, wir rollen sofort zur Halle. Mittlerweile regnet es ziemlich. In Rekordtempo wuchten wir den Flieger in die Halle. Papa atmet erleichtert auf, ich bin völlig aus dem Häuschen.

Ottenberg, vor der Halle, 12.30 Uhr

Papa sitz mit einem Bier neben mir. Halleluja himmelwärts, dass alles gut gelaufen (geflogen!) ist und wir wohlbehalten daheim angekommen sind! Ich kann es noch immer nicht so ganz fassen. Deutschlandflug. Einmal über das ganze Land. Meine letzte reale Wahrnehmung war heute morgen die Bushaltestelle in Kiel, Friedrichsort, 6.25 Uhr. Und jetzt sitze ich auf dem Ottenberg. 12.30 Uhr. Dazwischen - ein Abenteuer, ein echtes. Jetzt weiß ich auch, was es heißt: "Die Zeit vergeht wie im Flug."
Mein Opa erzählt immer, wenn die Sprache auf Kiel kommt: "Ja, Kiel, da war ich auch schon 1977. Da haben wir deinen Onkel von der Marine abgeholt..." Ich kenne die Geschichte mittlerweile so gut, als hätte ich sie selber erlebt. Ich freu mich schon drauf, liebe Enkel, wenn ich Euch in einigen Jahren erzählen kann: "Ja, 2005, im Sommer, als euer Urgroßvater, mein Papa mich aus Kiel mit dem Flieger abgeholt hat.....!!!"

 

Angelika und Hanspeter